Liebes Publikum,
das Festival ist zu Ende, Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen. Der Hamburger Karl Lagerfeld hat – so war bei der Festival-Literatour rund um seine früheren Wirkungsstätten am Neuen Wall zu hören – einmal gesagt, „Literatur sei für ihn eine Delikatesse, ohne die er verhungern würde“. Die kulinarischen Gelüste der Hamburgerinnen und Hamburger waren auf jeden Fall sehr groß: Nach vier Wochen Festivalzeit schwärmt das Hamburger Abendblatt vom „erfolgreichsten Harbour Front Literaturfestival seit seinem Bestehen“ (2009) und spricht gar von einem neuen „Literaturboom“ in der Hansestadt! Das freut uns natürlich sehr. Allerdings geben wir diese Komplimente gern an Sie, unser Publikum, zurück. Denn Sie haben das Festival durch Ihren Besuch zu dem gemacht, was es war! Rund 33.000 Besucherinnen und Besucher kamen zu den insgesamt 80 Veranstaltungen. Das ist eine enorme Steigerung von über 35% gegenüber der bis dahin besucherstärksten Ausgabe von 2023!
Es war ein Festival von enormer Spannbreite und großen Kontrasten.
Der letzte Festivaltag hat dies noch einmal eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Zeitgleich fanden der Debütpreis zur Förderung junger Literatur und die Würdigung eines der größten lebenden Autoren der Weltliteratur statt. Der mit 10.000 Euro dotierte Debütpreis ging an die 35-jährige Autorin Annegret Liepold für ihre Erzählung „Unter Grund“, der Publikumspreis an die 37-jährige Lina Schwenk für “Blinde Geister”, während wir eine Weltpremiere des 88-jährigen amerikanischen Autors Thomas Pynchon präsentieren durften. Kritiker finden sein Werk „Schattennummer“ nobelpreiswürdig. Mit dabei waren Jens Harzer, der Übersetzer Klaus Stingl und O-Töne der Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek und Denis Scheck.
Diese enorm kontrastreiche Spannungsbreite hat das gesamte Festival ausgezeichnet und durchdrungen: Dan Brown und Lea Ypi, Ian McEwan und Kamel Daoud/Navid Kermani, Benjamin von Stuckrad-Barre/Jan Delay und Chimamanda Ngozi Adichie, nicht zu vergessen zahlreiche Eigenkreationen. Ein Erfolgsrezept?
Wie kann es dann aber sein, dass der Buchhandel gleichzeitig dramatisch unter Druck gerät? Sage und schreibe 25% der Buchhandlungen mussten in Deutschland in den letzten fünf Jahren schließen! Wenn das so weitergeht, ist bald Schluss! Insbesondere betroffen sind viele unabhängige Buchhandlungen – Amazon und, ja, unser aller Käufergewohnheiten sei Dank!
Wehren wir uns gegen das Sterben des örtlichen Buchhandels! Das darf nicht sein! Besuchen wir ihn! Kaufen wir dort! Statt im Internet! Nur dort hat man Spaß, nur dort entdeckt man Besonderes, nur dort wird man kenntnisreich beraten!
Das veranlasst mich, unverhohlen (ohne jedes Eigeninteresse und vollkommen subjektiv) Tipps für drei Bücher und das Zusammenspiel von Literatur und Genuss zu geben:
So hat bei Rocko Schamonis „Gala des Scheiterns“ der Autor und Tausendsassa Gereon Klug angekündigt, er würde „während der laufenden Veranstaltung einen Bestseller schreiben“ und war binnen einer Stunde tatsächlich fertig damit! Rocko Schamoni, Joachim Meyerhoff und das Publikum waren verblüfft. Präsentiert wurde das „erste essbare Kochbuch“, nämlich ein durch Teig-Buchseiten geschichtetes Ragout, mit dem Klug – kein Witz – schon auf Literaturfestivals aufgetreten ist. Im Volksmund nennt man es „Lasagne”.
Weitaus seriöser war auf der lukullischen Seite die spontane Geburtstagsfeier eines prominenten Festivalstars mit „Kafkas Kochbuch“, herausgegeben von Denis Scheck. Auf diesem Wege fand eine der geplanten, aber an Terminen gescheiterten Veranstaltungen durch die Hintertür erfreulicherweise doch noch statt, wenn auch leider ohne Publikum. Aber wenigstens kann ich Ihnen hier empfehlen, auf diese sehr schmackhafte Weise das durch viele Klischees verdeckte Kafkabild grundlegend zu korrigieren. Sollte tatsächlich ein so unglücklicher Mensch wie Kafka, Autor auch des „Hungerkünstlers“, gut gekocht haben? Das Buch lohnt sich ungemein: lauter unbekannte, ausschließlich vegetarische Rezepte, garantiert gesund, und von Kafka kongenial aus einem Kurhaus der seinerzeitigen Lebensreformbewegung geschmuggelt.
Zusätzlich zu dieser Empfehlung möchte ich Ihnen „Americanah“ und „Dream Count“ der umwerfenden Chimamanda Ngozi Adichie ans Herz legen. Und – apropos Genuss – natürlich Thomas Pynchon. Das Buch spielt auf dem Höhepunkt von Gangstertum und Mafia im Chicago der dreißiger Jahre. Da trifft zum Beispiel ein Tycoon der Milchwirtschaft auf den italienischen Mafioso Al Capone und stellt sich als „Al Capone des Käses“ vor, und ergänzt, als dieser nicht zu verstehen scheint: „Al Capone di Formaggio“. Das ist nur eine der vielen Stilblüten des Buches, in dem es ansonsten viel um die Swingtime und eine Odyssee durch Europa geht.
Und dann wären da noch und Samantha Harveys „Umlaufbahnen“, mit dem Booker-Preis ausgezeichnet, denn: aus dem All betrachtet sieht die Welt noch einmal ganz anders aus…
Das sind meine Weihnachtstipps! Zu kaufen im örtlichen Buchhandel und – please – nirgendwo sonst.
Jetzt war so viel von Genuss, Kochen und Küche die Rede, dass ich zum Schluss unbedingt noch den Blick in eine Küche ganz anderer Art mit Ihnen werfen möchte: in die „Festivalküche“.
Es ist fast unvorstellbar, was dort, während Ihnen – im Karl-Lagerfeld´schen Sinne – „Delikatessen“ serviert wurden, geleistet wurde. Hier hat ein hochmotiviertes Team bis an die Grenzen und immer wieder auch über diese hinaus geschuftet und geackert und für 80 Veranstaltungen das Programm ausgewählt und gestaltet, Lesefassungen erstellt, Technikcrews für die einzelnen Produktionen organisiert, Reisen, Hotels und sonstige Extras vorausschauend geplant, während Buchhaltung und Controlling auf Hochtouren liefen – ein permanentes Finetuning der Sonderklasse mit mehreren tausend hochsensiblen, einzelnen Vorgängen!
Hierfür kann man dem gesamten Festivalteam gar nicht genug danken. In der Sprache der Gastronomie sind das leicht und locker zwei Michelin-Sterne!
Auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr
freuen sich
Joachim Lux
und das gesamte Harbour Front Festival-Team
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